Kunden werden zu Mitlandwirten, Kreiszeitung Kreis Oldenburg 18.08.21

Beckstedt – Mitglieder zahlen einen Beitrag zur Deckung betrieblicher Kosten und bekommen im Gegenzug Ernteanteile. Das ist, auf den Kern reduziert, das Funktionsprinzip der Solidarischen Landwirtschaft (kurz: Solawi) „Wildes Gemüse Beckstedt“. Seit Beginn dieses Jahres reserviert Landwirt René Dolling auf seinen Äckern und im Gewächshaus Anbauflächen für die Solawi-Mitglieder. Die zahlen ihm im Voraus ihren Solidarbeitrag und tragen damit die Kosten der Nahrungsmittelerzeugung. Im Gegenzug erhalten sie das Jahr über wöchentlich eine Gemüsekiste mit Produkten aus biologischem Anbau.

Jetzt besuchte Yves Nagel, Bürgermeisterkandidat der Samtgemeinde, den Hof von Familie Dolling, um die Solawi in Beckstedt kennenzulernen. Während im Hintergrund von zahlreichen Mitgliedern die wöchentlichen Gemüsekisten gepackt wurden, hörte sich Nagel sowohl die Entwicklungsgeschichte des Biohofes Dolling, als auch der jungen Solawi an. In einer Pressemitteilung schildert Nagel seine Eindrücke:

Der Hof Dolling hält seit 13 Jahren Biohühner in Mobilställen für die Eier- und Suppenhuhnproduktion. Außerdem gibt es Enten und Gänse sowie seit fünf Jahren Biogemüse. Davon wird alles direkt vermarktet, nichts kommt in den Großhandel.

Da Dolling grundsätzlich den nahen Kundenkontakt schätzt und festgestellt hat, dass sich die Menschen spätestens seit Beginn Corona-Pandemie beim Lebensmitteleinkauf mehr Persönlichkeit wünschen, war der Schritt auf die Gruppe der Interessierten „Solawisten“ nicht weit.

In einer Solawi werden die Kunden gleichzeitig zu Mitlandwirten. Sie ernten nicht nur gemeinsam, sondern tauschen auch Wissen aus, knüpfen soziale Kontakte und lösen gemeinsam Probleme. Die verschiedenen Fähigkeiten der Einzelnen werden eingebracht und genutzt. Es werden Menschen jeden Alters in die Gemeinschaft der Solawi integriert. Jeder kann, aber keiner muss sich beteiligen.

Neben den sozialen Aspekten sind Dolling und den Solawisten besonders die ökologische Bedeutung der Biolandwirtschaft wichtig. Sie sollte mit einer kleinbäuerlichen Kreislaufwirtschaft einhergehen, in der es keine ausgeprägte Spezialisierung, sondern eine große Vielfalt gibt. So wird auf dem Hof Dolling kein zusätzlicher Kunstdünger auf den Feldern verwendet, sondern ausschließlich der kompostierte Dung des Geflügels, der bereits vorhanden ist. Kleinere Felder mit verschiedenen Getreidesorten, eventuell mit Hecken besäumt, bieten eine größere Biodiversität, geringere Bodenerosion und weitere ökologische Vorteile.

Dennoch ist René Dolling die gegenseitige Wertschätzung auch mit den konventionell arbeitenden Landwirten wichtig. Er ist selbst mit vielen befreundet und tauscht sich mit ihnen aus.

Ziel der ökologischen Landwirtschaft sollten neben der nachhaltigen und regenerativen Lebensmittelproduktion eine sozial verträgliche Landwirtschaft sein, die auch den Landwirt, seine Familie und seine Mitarbeiter ernährt. Hier ist das Modell der Solidarischen Landwirtschaft zukunftsweisend. „Bäuerliche Strukturen und ökologische Landwirtschaft bedeuten nicht, dass wir zurück in die Steinzeit müssen. Unsere Mobilställe sind artgerecht, auch wenn sie keine Strohnester mehr haben”, erklärt Dolling.

Neben so viel Fachinformationen bekam Nagel auch einen der Mobilställe von innen zu Gesicht. „Da müssen wir aber immer höflich sein und anklopfen, damit sich die Hühner nicht erschrecken“, klärte Dolling auf. So blieben denn auch die rund 650 Junghennen beim Eintreten ganz gelassen.

Yves Nagel freut sich darüber, dass mit viel Eigeninitiative zahlreiche wichtige Themen durch die Solawi in einen Zusammenhang gebracht werden.